Der flexible Weg

Prüfstände für Nutzfahrzeuge müssen sehr unterschiedliche Testszenarien abdecken. Bisher bedeutete das bei jedem neuen Test einen erheblichen mechanischen Aufwand und zusätzlich Programmierarbeit. Das Unternehmen enders hat zusammen mit B&R eine Lösung entwickelt, mit der sich Prüfaufbauten flexibel an neue Testszenarien anpassen lassen – ohne Verkabelungs- und Programmieraufwand.

Das für Kippaufbauten bekannte Unternehmen Meiller hat enders beauftragt, eine neue flexible Prüfstandsteuerung zu entwickeln.

Zur Qualitätssicherung führt das für Kippaufbauten bekannte Unternehmen F. X. Meiller Fahrzeug- Maschinenfabrik GmbH & Co KG ein großes Spektrum an Prüfungen durch. Diese erstrecken sich von einfachen Materialtests mit kleinen Versuchsaufbauten bis hin zu umfassenden Belastungstests kompletter Kippaufbauten.

Die enders GmbH wurde von Meiller beauftragt, eine neue flexible Prüfstandsteuerung zu entwickeln. Die bisherige Prüfstandsteuerung des Aufbauherstellers war in die Jahre gekommen: Zum einen mussten bei jedem Wechsel des Versuchsaufbaus die Sensoren, Ventilansteuerungen und weitere Ausgänge neu verkabelt werden. Zum anderen ließ sich immer nur ein Prüfablauf auf der Steuerung speichern. Bei einem Wechsel des Prüfablaufs mussten also jedes Mal die Daten neu auf die Steuerung gespielt werden.

Zudem konnten neue Prüfabläufe nicht im laufenden Betrieb erstellt werden. Dazu war es nämlich notwendig, über eine Schnittstelle auf das Steuerungsprogramm zuzugreifen. Daten mussten über ein externes Gerät zur Messdatenerfassung aufgezeichnet werden. Eine Fernwartung der Prüfprozesse war mit der bisherigen Steuerung ebenfalls nicht möglich.

Im Notfall ließ sich die Prüfstandsteuerung durch das Betätigen des Not-Aus oder durch eine einfache Maximalwertüberwachung abschalten. Eine Überwachung komplexer zusammenhängender Messwertverläufe war nicht integriert.

  • Schwachstellen des abgelösten Prüfstands:
  • Mechanischer Umbauaufwand bei jedem Versuchswechsel
  • Keine Ablage mehrerer Prüfprojekte auf der SPS
  • Unterbrechung des Prüfvorgangs während der Programmierung
  • Keine interne Speicherung der Messwerte (nur über ein zusätzliches externes Gerät)
  • Keine Fernüberwachung der Prüfprozesse

Prüfabläufe flexibel anpassen

Bei der Entwicklung der neuen Prüfstandsteuerung setzte enders auf seinen langjährigen Partner B&R: „Wir haben uns für B&R entschieden, da die Lösung maximal flexibel sein musste und mit den modularen Softwarekomponenten von mapp Technology konnten wir genau das umsetzen“, sagt Riccardo Princiotto, Leitung der Vorentwicklung bei enders.

Bei der Entwicklung der neuen Prüfstandsteuerung setzte enders auf seinen langjährigen Partner B&R.

mapp Technology erspart dem Applikationsersteller viel Programmierarbeit, da zahlreiche Funktionen bereits als vorprogrammierte Module zur Verfügung stehen. Die mapp-Bausteine lassen sich mit wenigen Mausklicks parametrieren.

„Bei unserer Prüfstandsteuerung war aus der großen Palette an mapp-Bausteinen mapp Sequence besonders hilfreich“, sagt Princiotto. Dabei handelt es sich um eine vorgefertigte, konfigurierbare Schrittkettensteuerung beziehungsweise eine dynamische Zustandsmaschine, die enders nahtlos in die Prüfstandsoftware eingebettet hat. Mit ihr können die Prüfingenieure über einen Editor bestehende Prüfsequenzen aufrufen, modifizieren oder von Grund auf neu erstellen – Programmierkenntnisse sind dafür nicht notwendig.

Da das Arbeiten im Editor auch offline auf dem Laptop oder einem Desktop-PC möglich ist, muss der Prüfbetrieb für die Erstellung neuer Sequenzen nicht unterbrochen werden. Der Maschinenbetreiber kann entweder Sequenzen selbst über eine Bedienerschnittstelle oder offline am PC erstellen oder erhält eine maßgeschneiderte Sequenzdatei mit der fertigen Maschine mitgeliefert.

„Prüfingenieure können mit mapp Sequence jederzeit individuelle Prüfsequenzen neu erstellen, aber auch bestehende laden und verändern. So ist eine schnelle und effiziente Anpassung an neue Prüfszenarien darstellbar. Spezielle Kenntnisse für die SPS-Programmierung sind dafür nicht notwendig. Dadurch kann der Aufbauhersteller viel schneller von einem Prüfszenario zum nächsten wechseln, wobei sehr einfache, aber auch komplexe Tests abgebildet werden können“, ergänzt Princiotto. „Der Einsatz von mapp Sequence bietet sich daher grundsätzlich immer dann an, wenn eine Automatisierungslösung einfach an individuelle Anforderungen angepasst werden soll.“

Mit dem Editor können Prüfingenieure neue Prüfsequenzen ohne Programmierkenntnisse erstellen.
  • Vorteile des Prüfstands mit mapp Sequence:
  • Keine Programmierkenntnisse nötig
  • Einfach und schnell für verschiedene Prüfaufgaben anpassbar
  • Offline programmierbar für einen reibungslosen und durchgängigen Prüfbetrieb
  • Aufzeichnung der relevanten Daten und Messwerte
  • Fernzugriff mit definierten Benutzerprofilen

Neue Prüfzyklen ohne Programmieren

Jede Prüfsequenz besteht aus mehreren Schritten, die in einer festgelegten Reihenfolge ausgeführt werden. Die Erstellung einer Sequenz ist denkbar einfach. Pro Schritt werden vom Bediener eine oder mehrere auszuführende Aktionen, die sogenannten Kommandos, festgelegt. Zudem definiert er Bedingungen, unter denen die Kommandos ausgeführt werden.

„Darüber hinaus kann der Bediener festlegen, wann eine Sequenz abgebrochen werden muss. Ein Beispiel dafür wäre, wenn die Öltemperatur einen vorgegebenen Wert übersteigt“, erklärt Princiotto. Die definierten Schritte der einzelnen Sequenzen werden vom Bediener zusammengestellt und auf der Steuerung für die weitere Benutzung abgelegt. Meiller hat dies genutzt, um etwa 30 Sequenzen mit durchschnittlich zehn Schritten für den Einsatz im Prüffeld vorzubereiten.

Schnelle Ergebnisse

Vor dem Start einer Prüfsequenz untersucht die Software, ob alle festgelegten Signalquellen, wie der Not-Aus, angeschlossen sind. Da es vorab nicht immer möglich ist, alle Abbruchbedingungen zu ermitteln, hat enders eine Teaching-Funktion integriert. Die Funktion zeigt komplexe Zusammenhänge über den Verlauf an, speichert und prüft diese.

Darauf aufbauend lassen sich Ober- und Untergrenzen entlang des Messwertverlaufs für die Sollsignalwerte festlegen, die dann als Abbruchkriterien in der Prüfsequenz verwendet werden. Die Sollsignalwerte werden während der Prüfung ständig überwacht und zusammen mit den Signalen live angezeigt.

Das Teaching erfolgt mit der web-basierten Bedienoberfläche der Steuerung. enders hat die Bedienoberfläche mit Hilfe des mapp-Bausteins mapp View und parametrierbaren Widgets erstellt. Mit mapp View lassen sich übersichtliche Web-Visualisierungsseiten ohne großen Aufwand gestalten. Die Auseinandersetzung mit Web-Technologien ist dabei nicht notwendig.

Die Widgets kapseln die Web-Technologien und werden per Drag-and-drop auf die gewünschte Seite gezogen und dort einfach parametriert. „Die mapp-Bausteine und die Widgets reduzieren den Zeitaufwand für die Programmierung der Basisfunktionen und der Visualisierung merklich“, erklärt Princiotto. „Selbst bei kleineren Projekten wie einer Prüfstandsteuerung kommt dieser Vorteil bereits zum Tragen.“

Kein Verkabelungsaufwand

Die Steuerungshardware des Prüfstandes ist in einem kleinen, rollbaren Gestell untergebracht: Als Steuerung hat enders eine SPS aus dem X20-System gewählt, auf der die Anwendungssoftware ausgeführt wird. Die Visualisierung läuft auf einem Power Panel vom Typ T80 mit 10,1 Zoll Multi-Touch-Display und robuster Glasfront.

Für die Erfassung von Signalen und die Ansteuerung von Aktoren sind diverse I/O-Module des X20-Systems verbaut. Die digitalen und analogen Ein- und Ausgänge sind intern fest verdrahtet und über Steckverbinder auf der Rückseite der Prüfstandsteuerung zugänglich. Durch eine optimierte Verkabelung und eine ausgeklügelte Sensorik, muss die interne Verdrahtung für die verschiedenen Testszenarien nicht angepasst werden.

Zugriff aus der Ferne

Bei der bisherigen Prüfstandtechnik fehlte der Zugriff auf wichtige Daten für Auswertungen und Diagnose. Mit der B&R-Steuerung werden nun alle Daten aufgezeichnet und für eine nachgelagerte Auswertung gespeichert. Zur Nutzer- und Zugriffsrechteverwaltung können einfach unterschiedliche Profile und Rollen erstellt werden. Eines dieser Profile ist dabei speziell für den Remotezugriff eingerichtet und gibt eine entsprechende Ansicht frei.

mapp Technology unterstützt die Rechteverwaltung und das User-Logging und ermöglicht so eine sichere Nutzung der Fernanbindung.

Anwender können in der Visualisierung alle relevanten Informationen zum Prüfgeschehen abrufen. Die X20-Steuerung sammelt diese Informationen und stellt sie zur Verfügung. Treten im Prüffeld Probleme auf, kann die Prüfsequenz auch aus der Ferne abgebrochen werden.

Weitere Prüfsequenzen lassen sich jederzeit erstellen und auf die Steuerung spielen. Sie stehen dann den Prüfern vor Ort sofort zur Verfügung. „mapp Technology und die B&R-Hardware haben es uns ermöglicht, die Prüfstandsteuerung besonders effizient zu realisieren“, zeigt sich Princiotto zufrieden.

Autor: Dipl.-Ing. Franz Rossmann, Technikjournalist aus Gauting bei München

Die enders GmbH unterstützt bei der Entwicklung von technischen Produkten, Anlagen, Fertigungsprozessen, kompletten Fahrzeugen und bei der Digitalisierung. Die Kunden des Unternehmens stammen aus den Bereichen Anlagen- und Prozesstechnik, Baumaschinen und Sonderfahrzeuge, Landtechnik, Additive Fertigung, Health Care, Nutzfahrzeuge und Automotive für B2B- und B2C-Märkte. Als Qualified Partner von B&R verfügt enders über langjährige Erfahrung im Einsatz von B&R-Technik und setzt sie bevorzugt bei der Automatisierung von Produktionsanlagen, mobilen Arbeitsmaschinen und Prüfständen ein.

Über den Kunden

Riccardo Princiotto

Leitung der Vorentwicklung, enders GmbH


„mapp Technology und die B&R-Hardware haben es uns ermöglicht, die Prüfstandsteuerung besonders effizient zu realisieren.“

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