Die Technologien OPC UA und TSN sind in aller Munde. Dennoch wissen viele Maschinenbauer und Anlagenbetreiber noch nicht, welche Vorteile ihnen diese Technologien in der Realität bringen.
Wir haben den Netzwerkspezialisten Stefan Bina gebeten, einige der wichtigsten Fragen zu OPC UA over TSN und dessen Rolle in der Zukunft der industriellen IoT-Kommunikation zu beantworten.

Konnektivität und Industrial IoT
OPC UA over TSN wird von allen großen Automatisierungsanbietern unterstützt. Die Technologie gewährleistet eine herstellerunabhängige Interoperabilität für alle aktuellen und zukünftigen Anwendungen in der Industrie.
OPC UA over TSN ermöglicht modulare und flexible Maschinen- und Produktionskonzepte, die mit eingebauten Sicherheitsmechanismen ausgestattet sind. Anwender werden in der Lage sein, ihre Maschinen und Anlagen für die Produktion in Losgröße 1 auszurichten. Darüber hinaus bietet OPC UA over TSN einen sicheren Zugriff auf alle Daten im Herstellungsprozess. Auf Basis dieser Daten lassen sich die Performance optimieren und vorausschauende Wartungskonzepte umsetzen, ohne dabei den Maschinenbetrieb zu stören.
OPC UA over TSN ist 100% offen, sicher und deutlich schneller als bisherige Kommunikationsprotokolle. Dies bedeutet mehr Raum für Innovation, eine höhere Gesamtanlageneffektivität, niedrigere Gesamtbetriebskosten und eine optimierte Inbetriebnahme und Wartung.
Die aktuellen, proprietären Feldbussysteme kommunizieren Rohdaten, also Nullen und Einsen. Diese Daten können von den Geräten im Netzwerk ohne die entsprechenden Tabellen nicht interpretiert werden. Auf diese Weise kann eine nahtlose Kommunikation, die für das Industrial IoT essenziell ist, unmöglich erreicht werden.
Das Informationsmodell von OPC UA erweitert diese Rohdaten um semantische Beschreibungen. Folglich kann jedes Gerät und jede Person die erhaltenen Informationen korrekt interpretieren.
Darüber hinaus bietet OPC UA sogenannte Methoden, die eine direkte Interaktion zwischen Maschinen oder Maschinenteilen ermöglichen. So kann eine Maschine bei einer anderen anfragen, welche Dienste, Schnittstellen und Funktionen diese anbietet. Die Interaktion wird dadurch autonomer und effizienter.
Weitere Informationen über das Informationsmodell von OPC UA und zur Frage, warum die semantische Beschreibung von Daten wichtig ist, finden Sie auf der Homepage der OPC Foundation.
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Das deterministische Verhalten von TSN ermöglicht die Echtzeit-Kommunikation zwischen Maschinen mit Steuerungen unterschiedlicher Hersteller. Das gleiche gilt für die Kommunikation auf Geräteebene innerhalb von Maschinen.
OPC UA bietet ein standardisiertes Datenmodell. Daten werden sicher und im semantischen Kontext übertragen. TSN ist sozusagen die Autobahn, auf der OPC UA deterministisch fährt.
Ohne die Interoperabilität von OPC UA over TSN müssten herstellerübergreifende Kommunikationsabläufe fest programmiert werden. Das ist mit hohen Entwicklungskosten und einem Verlust an Flexibilität verbunden. OPC UA over TSN gewährleistet einen kontinuierlichen Überblick, ohne den Maschinenbetrieb zu stören.
Industrial-IoT-Anwendungen sind datengesteuert, Informationen sind ihr Lebenselixier. Mit OPC UA over TSN wird der verfügbare Informationspool um eine Vielzahl an Sensoren, Aktoren und anderen Automatisierungsgeräten erweitert. Ermöglicht wird dies durch die semantische Selbstbeschreibung des OPC-UA-Informationsmodells bis hinunter zur Feldebene.
Mit Industrial IoT können wir effiziente und effektive Produktionsprozesse entwickeln, gleichzeitig die Kosten für die Inbetriebnahme reduzieren und die Wartung vereinfachen. Zudem wird es möglich sein, die individualisierte Massenproduktion zu forcieren.
Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Produktionslinien von heute in flexible Produktionseinheiten umgewandelt werden, sodass wir einen permanenten Einblick in ihre internen Abläufe erhalten. Die Informationen daraus – kombiniert mit ausgeklügelten Algorithmen und künstlicher Intelligenz – sind der Treibstoff für kontinuierliche Leistungsoptimierung und vorausschauende Wartung.
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Interoperabilität
Es ist tatsächlich so, dass wir bis jetzt ohne Interoperabilität ausgekommen sind, aber eben nur bis hierher und nicht weiter. Mit Interoperabiliät heben wir die Automatisierung nun auf die nächste Stufe. Sie ebnet den Weg für den reibungslosen Datenaustausch, die Digitalisierung von Herstellungsprozessen und die Realisierung der Smart Factory.
Zudem erhöht Interoperabilität die Geschwindigkeit, Flexibilität und Kosteneffizienz. Nur so ist es möglich, die für das industrielle IoT notwendige moderne Datenerfassung, Analyse und Optimierung umzusetzen.
Um die Anforderungen an ein Kommunikationssystem bewältigen zu können, unterteilt das OSI-Referenzmodell es in sieben konzeptionelle Schichten von den Steckverbindern und Kabeln bis hin zur Benutzeroberfläche.
Nur wenn alle sieben Schichten miteinander kommunizieren, ist die nahtlose Interoperabilität innerhalb des Netzwerks garantiert. OPC UA bietet sichere Interoperabilität in den Schichten 5 bis 7 und eine sichere vertikale Kommunikation vom Sensor zur Cloud. Die Interoperabilität in den Schichten 3 und 4 wird durch gemeinsame IT-Standards gewährleistet. Schicht 1 wird durch den Ethernet-Standard abgedeckt.
TSN bringt als abschließender Teil des Puzzles die Interoperabilität in die Datenverbindungsschicht, Schicht 2. Dadurch ist es möglich, OPC UA für präzise Echtzeitanwendungen in konvergenten OT-/IT-Netzwerken einzusetzen und eine beispiellose Leistungsfähigkeit zu erzielen.
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Ökosystem und Standardisierung
OPC UA wird von der OPC Foundation entwickelt und standardisiert. Die TSN-Standards liegen in der Verantwortung der IEEE-Arbeitsgruppe 802.1. Um einen kohärenten, offenen Ansatz für die Implementierung von OPC UA zusammen mit TSN und den zugehörigen Anwendungsprofilen zu gewährleisten, hat die OPC Foundation die Initiative Field Level Communications gestartet. Der Leiter der Initiative ist Peter Lutz, der die Entwicklung und Spezifizierung leitet und vorantreibt.
Die Technologie ermöglicht die herstellerunabhängige, durchgängige Interoperabilität für Feldgeräte in allen Bereichen der industriellen Automatisierung. Durch den Einstieg in den Bereich der Feldebene wird die OPC Foundation in der Lage sein, ihre Rolle als Impulsgeber für einen weltweiten Standard für Interoperabilität in der Industrie zu stärken. Dazu beschäftigt sich die OPC Foundation derzeit mit der Standardisierung für einheitliche Funktionalität von I/O-, Motion- und Safety-Anwendungen.
Das Steering Committee der OPC Foundation für die Kommunikation auf Feldebene besteht aus 24 führenden Technologieanbietern der Automatisierungsbranche, wie ABB, Beckhoff, Bosch-Rexroth, B&R, Cisco, Hilscher, Hirschmann, Huawei, Intel, Kalycito, KUKA, Mitsubishi Electric, Molex, Omron, Phoenix Contact, Pilz, Rockwell Automation, Schneider Electric, Siemens, TTTech, Wago und Yokogawa. Immer mehr Unternehmen schließen sich derzeit an, darunter kürzlich Moxa und Murr Elektronik.
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Echtzeitkommunikation spielt eine entscheidende Rolle in der industriellen Automatisierung, zum Beispiel für die Steuerung auf Geräteebene, Antriebstechnik, Machine Vision und die Controller-zu-Controller-Kommunikation. Standard-Ethernet wurde jedoch nie als deterministisches Netzwerk konzipiert. Also implementierten proprietäre Feldbussysteme ihre eigenen Mechanismen, um ein deterministisches Verhalten zu erreichen. Mit TSN wird das IEEE-802-Ethernet nun um die Echtzeitkommunikation erweitert und bietet einen einheitlichen Standard, der die Anforderungen der industriellen Automatisierung erfüllt.
Darüber hinaus ermöglicht TSN konvergente Netzwerke. Das bedeutet, dass sowohl nicht-deterministische IT-Kommunikation als auch deterministische OT-Kommunikation, wie Maschinensteuerung und Safety, von ein und demselben Netzwerk verwaltet werden können. In Zukunft wird der TSN-Standard zur Grundausstattung herkömmlicher Ethernet-Chips gehören.
Weitere Informationen finden Sie bei Wikipedia und der Homepage der IEEE.
Performance
Die Technologie ist in der Lage, mehr als 10.000 Netzwerkknoten anzusprechen, und das mit einer Skalierbarkeit von 10 Megabit bis zu mehr als 10 Gigabit. In einem Netzwerk mit 200 dezentralen I/O-Buscontrollern mit insgesamt 10.000 I/O-Punkten erreichten von B&R durchgeführte Tests Zykluszeiten von weniger als 50 Mikrosekunden mit einem Jitter von weniger als ±100 Nanosekunden. Diese Ergebnisse zeigen, dass OPC UA over TSN 18-mal schneller als die derzeit schnellste Lösung ist.
Durch diese Leistungsfähigkeit werden proprietäre Feldbusnetzwerke überflüssig. OPC UA over TSN ermöglicht leistungsstarke Maschinensteuerung und bandbreitenintensiven IT-Verkehr auf einem einzigen Kabel, und das ohne Störungen.
Ein detailliertes Whitepaper zum Thema Implementierung von OPC UA over TSN kann von der B&R-Homepage heruntergeladen werden.
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Cybersecurity und Migration
OPC UA wurde für die Kommunikation mit IT-Systemen entwickelt. OPC UA over TSN gestattet es, OT- und IT-Netzwerke zusammenzuführen, ohne den Maschinenbetrieb zu beeinträchtigen. Das wird durch TSN und OPC-UA-Sicherheitsmechanismen wie Benutzerauthentifizierung und Autorisierung, Verschlüsselung und Zertifikatshandling ermöglicht.
Die Hauptvorteile sind vernetzte Kommunikation, durchgängige Semantik, Sicherheit und Performance. Zum Faktor Performance gehören die hohe Bandbreite und die garantierte Echtzeitkommunikation.
Die Kombination von OPC UA und TSN-Mechanismen für die Echtzeitkommunikation auf Feldebene ermöglicht ein einziges, herstellerunabhängiges Protokoll vom Sensor bis zur Cloud. Ohne OPC UA over TSN müsste ein Maschinenbauer jeden einzelnen Feldbus über TSN unterstützen.
Ein Endanwender beschäftigt sich zum Beispiel mit konvergenten Netzwerken und benötigt OPC UA, um sich über MQTT mit der Cloud zu verbinden. Der OPC-UA-Anschluss, der von Cloud-, ERP- und DCS-Plattformen unterstützt wird, vereinfacht dabei die Kommunikation. Die OPC-UA-Spezifikationen erlauben es Maschinen, unabhängig vom Hersteller, sich selbst kontinuierlich mit standardisierter Semantik zu beschreiben. So stellt zum Beispiel die VDMA-Roboterbegleitspezifikation ein standardisiertes Informationsmodell zur Verfügung, das in der Lage ist, alle roboterbezogenen Informationen und Funktionen unabhängig von Hersteller und Standort einheitlich darzustellen.
Die ARC Advisory Group hat einen informativen Bericht zum Thema veröffentlicht.

Die Mitglieder der OPC Foundation unterstützen OPC UA bereits auf breiter Linie. Das ist einer der Gründe, warum die OPC Foundation von den teilnehmenden Anbietern ausgewählt wurde, um OPC UA für die deterministische Kommunikation über TSN zu entwickeln.
Die 24 Unternehmen teilen eine gemeinsame Vision und nehmen an der Field-Level-Communications-Initiative teil. Diese ist der Erweiterung von OPC UA over TSN auf Feldebene gewidmet, um eine nahtlose OPC-UA-Kommunikation vom Sensor bis zur Cloud zu erreichen.
Die klare Position zu dieser Vision lässt erwarten, dass alle 24 Unternehmen in den kommenden Jahren Automatisierungsprodukte mit OPC UA over TSN auf den Markt bringen werden. Das erste Produkt wurde für 2020 angekündigt. Diese Triebkraft wird weitere Anbieter und Systemintegratoren dazu motivieren, dem Markttrend einer einheitlichen Kommunikationslösung zu folgen und zum größten Ökosystem vernetzter industrieller Automatisierungslösungen der Geschichte beizutragen.
Es werden alle in industriellen Netzwerken üblichen Topologien unterstützt, einschließlich Linie, Stern, Baum und Ring. TSN beinhaltet einen Standardmechanismus für nahtlose Echtzeit-Redundanz, der durch Kabelredundanz, Ring- oder Mesh-Topologien umgesetzt wird.
Die Entwicklungsumgebung des Anbieters enthält alles für eine einfache und automatisierte Konfiguration. Für diejenigen, die sich nicht für die Tools des Lieferanten entscheiden, stehen die notwendigen Konfigurationsschnittstellen als offene Standards zur Verfügung. Zudem sind zusätzliche Netzwerktools von Drittanbietern verfügbar.
Ja, denn TSN ist eine Weiterentwicklung des Standard-Ethernet. TSN erweitert das Standard-Ethernet mit Echtzeitfähigkeit, sodass es möglich ist, Standard-Ethernet-Geräte und TSN-Geräte im selben Netzwerk zu haben.
Standard-Ethernet-Geräte benötigen keine Schnittstelle oder ein Gateway, um sich mit einem TSN-Netzwerk zu verbinden. Allerdings können nur TSN-fähige Geräte in Echtzeit kommunizieren.
Ja, es wird möglich sein, POWERLINK und OPC-UA-over-TSN-Geräte in B&R-Systemen zu synchronisieren.
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B&R verfolgt seit jeher eine nachhaltige Produktstrategie, die eine langfristige Verfügbarkeit von Produkten und Technologien gewährleistet. Daran wird sich mit der Markteinführung von OPC UA over TSN nichts ändern. B&R wird POWERLINK parallel zu OPC UA over TSN in seinem umfangreichen Produktportfolio weiterhin unterstützen. Kunden werden in der Lage sein, die beste Kommunikationslösung für ihre Bedürfnisse auswählen zu können.
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Die TSN-Fähigkeit ist bereits in den meisten neueren Automation PCs von B&R integriert und wird in allen zukünftigen neuen Steuerungen enthalten sein. Der TSN- und Ethernet-Port sind ein und derselbe.
TSN in Kombination mit bestehenden Feldbussen
Die älteren Feldbusprotokolle würden sich zwar ein gemeinsames TSN-Netzwerk teilen, aber die Geräte wären nicht wie OPC-UA-Geräte vernetzt. Diesen Protokollen fehlen zudem die Semantik und die Methoden, die OPC UA bietet. OPC UA hat eine integrierte Sicherheitsfunktion und ist ein anerkannter internationaler Standard für die Kommunikation vom Sensor bis zur Cloud, der ständig weiterentwickelt wird.
Der Unterschied liegt in der Interoperabilität des Systems – ohne sie ist der Maschinen- oder Anlagenbetreiber an einen Anbieter und eine bestimmte Automatisierungslösung gebunden. Die Kommunikation und Synchronisierung mit anderen System ist nicht möglich. In einem Werk mit mehreren Herstellern bedeutet dies, dass die Kommunikation nicht sicher ist und erweiterte Funktionen wie Zustandsüberwachung, Leitungsabgleich, vorausschauende Wartung, Maschinenoptimierung, einfache Inbetriebnahme und Wartung nicht implementiert werden können. Das bedeutet, dass Maschinenbauer auf das Innovationsvermögen des jeweiligen Anbieters beschränkt sind.
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Verfügbarkeit
Die ersten Produkte werden Ende 2019 angekündigt und sind Anfang 2020 verfügbar. Kontaktieren Sie Ihre Lieferanten, um mehr über deren Markteinführungspläne zu erfahren.
Bleiben Sie auf dem Laufenden
Abonnieren Sie den Newsletter der OPC Foundation oder fragen Sie Ihren B&R-Vertreter. Für Informationen zur Teilnahme und direkte Antworten steht Peter Lutz gerne zur Verfügung:
Peter Lutz, Field Level Communications Director
OPC Foundation
Peter.Lutz@OPCfoundation.org