Bei mobilen Arbeitsgeräten und Traktoren hat eine komplexe Automatisierung Einzug gehalten. Das Cockpit einer modernen Zugmaschine gleicht einem High-tech-Leitstand. Die zu verarbeitende Datenflut verlangt eine leistungsfähige Kommunikation, die etablierte Bussysteme nicht mehr bieten können. Für sein neuentwickeltes Bremsfahrzeug hat enders ein Protokoll gesucht, dass alle Anforderungen mobiler Anwendungen erfüllt und ist fündig geworden.

Während nahezu alle Automobilhersteller am automatisierten Fahren tüfteln und erste Tests die Fachwelt aufhorchen lassen, ist diese Technologie in der Landwirtschaft schon längst Realität. Ein moderner Traktor wird auf dem Feld durch die angehängte Arbeitsmaschine gesteuert und der Fahrer hat nur noch die Aufgabe, den Arbeitsvorgang zu überwachen. Am Beispiel des Kartoffelrodens erkennt der Roder etwa mittels Sensorik den Damm und sendet seine Lenkbefehle an den Traktor, der vollautomatisch und ohne Fahrereingriff am Damm entlang fährt.

Außerdem ermittelt der Roder seine Auslastung eigenständig, berechnet die optimale Fahrtgeschwindigkeit und gibt diese an den Traktor weiter. So wird auch die Geschwindigkeit des Gespanns nach der Produktionsleistung der Arbeitsmaschine automatisch geregelt [1]. Möglich wird dies mit Tractor Implement Management (TIM), einem von der Agricultural Industry Electronics Foundation (AEF) entwickeltem Standard.

Leistungsfähiger Feldbus unentbehrlich

ISOBUS bietet derzeit als Kommunikationsinfrastruktur die Basis für TIM und den Befehlsaustausch zwischen Anbaugerät und Traktor. Angehängte Maschinen können auf diese Weise Arbeitsfunktionen des Traktors, wie Zapfwelle, Hubwerk, Fahrgeschwindigkeit, Lenkwinkel oder Hydraulik-Ventile, ansteuern. Die Vorteile für den Landwirt liegen auf der Hand: Die intelligenten Geräte optimieren selbstständig den Arbeitsablauf und zusätzlich wird der Fahrer entlastet [2].

Da die Anforderungen permanent steigen, ist das auf CAN-Bus basierende System ISOBUS an seiner Leistungsgrenze angelangt. Die Situation verschärft sich sogar noch weiter: Inzwischen setzen viele Hersteller auch in mobilen Anwendungen auf dezentrale elektrische Antriebstechnik. Daher wird in der AEF ein Highspeed ISOBUS entwickelt, der auf der Basis von Standard-Ethernet den Performance-Engpass beseitigen soll.

Die ganze Tragweite dieses Problems zeigt sich auch in anderen mobilen Anwendungen. Bei einer typischen "mobilen" Systemarchitektur einer Arbeitsmaschine kommunizieren bis zu 30 Steuergeräte mit mehreren Bedienterminals sowie über 100 Sensoren und Aktoren auf 7 separaten Feldbussen. Dafür sind in Summe über 3.000 Meter Kabel erforderlich, die mehr als 100 kg auf die Waage bringen. Die Kabel zu reduzieren, bringt enorme Vorteile für Produktion, Zuverlässigkeit, Service und Energieverbrauch mit sich.

Für die Kommunikation mit dem Bremsfahrzeug setzt enders auf POWERLINK. (Quelle: enders)

POWERLINK als High-Speed-Backbone

Die Anforderungen an einen Feldbus in der mobilen Automation unterscheiden sich von denen des klassischen Maschinenbaus nicht wesentlich. Höchste Bandbreite, Echtzeitfähigkeit im Submillisekunden-Bereich, Multi-Master-Architekturen und die freie Wahl der Topologie sind die Basisanforderungen. Dazu kommt die Hot-Plug-Fähigkeit und die Übertragung von sicherheitsrelevanten Signalen bis SIL3/PLe.

Für mobile Anwendungen kommen noch die verschärften Umweltbedingungen, wie erhöhter Temperaturbereich, Resistenz gegen Feuchtigkeit und elektromagnetische Störungen hinzu. Daher muss auch der BroadR-Reach-Standard unterstützt werden, da er mit seiner Single-Twisted-Pair-Physik entscheidend zur Gewichts-Reduzierung der Verkabelung beitragen wird. Diese zahlreichen Anforderungen erfüllt POWERLINK und ist damit für den Einsatz in der mobilen Automation prädestiniert [4].

Gunnar Gubisch von B&R (2. Reihe v. links) mit dem Team von enders. Das regnerische Wetter konnte die Freude über die erfolgreiche Inbetriebnahme des Bremsfahrzeuges nicht trüben.

Bremsfahrzeug zeigt, was POWERLINK leisten kann

Die Firma enders Ingenieure GmbH, mit Sitz in Ergolding bei Landshut, zeigt mit dem Bau eines neu konzipierten Bremsfahrzeuges die Umsetzung mobiler Automatisierung mit POWERLINK. ‚Entwicklungsergebnisse zum Anfassen‘ lautet das Credo des Unternehmens und meint voll funktionsfähige Prototypen und Einzelstücke mobiler Arbeitsmaschinen, die als Gesamtsysteme in eigener Fertigung gemäß den Kundenanforderungen realisiert werden. „Durch langjährige Zusammenarbeit mit führenden Herstellern in den Branchen Landtechnik und Nutzfahrzeuge können wir auf umfangreiches Know-how auf diesem Gebiet zurückgreifen“, sagt Thomas Rogalski, Leiter des Geschäftsfeldes Embedded Systeme.

Zuletzt wurde für einen Traktorenhersteller der Nachfolger eines Bremsfahrzeuges entwickelt, mit dem komplexe Belastungsszenarien erzeugt werden können. Im Gegensatz zum Vorgänger, bei dem die Bremsleistung manuell justiert wurde, kann die Bremskraft nun automatisiert stufenlos geregelt werden, wodurch es möglich ist, in Echtzeit das Verhalten von Arbeitsmaschinen zu simulieren. Das ermöglicht eine 500 kW starke Wirbelstrombremse, die mit kompletter Infrastruktur ausgestattet auf einem autarken Anhängerfahrzeug montiert ist. Mit den aus Testfahrten ermittelten Daten kann das Gesamtsystem der Zugmaschine optimiert werden.

„Die Offenheit von POWERLINK und die Möglichkeit der Einbindung sowohl sicherheitsrelevanter als auch asynchroner Daten hat uns überzeugt.“ Thomas Rogalski, enders

Bedieninterface mit vollem Zugriff auf alle Systeme

„Bei der Auswahl des Feldbusses war uns wichtig, dass der Messtechniker in der Fahrerkabine Zugriff auf alle relevanten Mess- und Regelgrößen des Bremsfahrzeuges hat“, erläutert Rogalski. Auch sei die direkte Einbindung sicherheitsrelevanter Daten, zum Beispiel ein Not-Aus und die Erweiterungsmöglichkeit mit zusätzlichen Sensoren an jeder beliebigen Position von großem Vorteil.

Zudem kann als Erweiterung geplante Rückfahrkamera einfach in POWERLINK integriert werden. Die im asynchronen Bereich des Protokolls übertragenen Datenpakete sind als Videostream via mapp-Technologie auf dem gleichen Display darstellbar. Damit ist ein zusätzliches Display mit Extraverkabelung nicht mehr notwendig. Das Beispiel zeigt, dass nur ein einziger leistungsfähiger Feldbus wie POWERLINK die Geräte- und Verkabelungsvielfalt auch in mobilen Anwendungen drastisch reduzieren kann.

Typische Maschinen-System-Architektur [3]: Unterschiedliche Komponenten kommunizieren mit teils eigenen Protokollen, der Verkabelungsaufwand ist groß. Mit POWERLINK hingegen reicht 1 Protokoll aus - der Verkabelungsaufwand sinkt enorm.

Quellen:

[1] Horstmann, Jan: Moderne Kommunikationssysteme in der Landtechnik. In: Frerichs, Ludger (Hrsg.): Jahrbuch Agrartechnik 2013. Braunschweig: Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge, 2014. – S. 1-7; www.digibib.tu-bs.de, (abgerufen am 21.02.2016)

[2] ISOBUS in Functionalities; www.aef-online.org/AEF_handfan_EN_10-15_lr, (abgerufen am 23.02.2016)

[3] Caterpillar, VeCo12_5_HeavyDutyVehicle_2_Weck_Lecture; Typical Machine System Architecture; www.vector.com/portal/medien/cmc/events/commercial-events/VectorCongress 2012/VeCo12 5 HeavyDutyVehicle 2 Weck, (abgerufen am 23.02.2016)

[4] Highspeed für mobile Arbeitsmaschinen, automotion 3/16

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