Nestlé hat es sich zum Ziel gesetzt, seine Bestandsanlagen nach aktuellen Industrie-4.0-Gesichtspunkten aufzurüsten. Dabei sollen Aufwand und Invest möglichst gering gehalten werden. In einem Pilotprojekt im Werk in Osthofen kommt eine Lösung von B&R zum Einsatz, die diese Anforderungen erfüllt: die Orange Box. Mit ihr lassen sich Brownfield-Werke in Richtung Smart Factory umrüsten.

Der Nestlé-Konzern errichtet jährlich 1 bis 2 neue Produktionsstätten, sogenannte Greenfield-Werke, wie das 2014 in Schwerin in Betrieb genommene Werk, in dem jährlich hunderte Millionen Kaffeekapseln produziert werden. Um den Kaffee nach höchsten Qualitätsstandards zu produzieren, kommen hier modernste Technologien zum Einsatz. „Es muss allerdings beachtet werden, dass derzeitige Greenfields zwar mit hochmoderner Technologie ausgerüstet werden, diese allerdings noch nicht dem standardisierten Industrie-4.0-Verständnis entsprechen. Hier ist noch einiges an Standardisierungsarbeit zu leisten“, sagt Ralf Hagen, E&A Engineering Manager bei der Nestlé Deutschland AG.

Durchgängige Kommunikation in Smart Factories

Den 1 bis 2 hochproduktiven Greenfields pro Jahr stehen auf der anderen Seite 430 bereits bestehende Produktionsstätten, auch Brownfield-Werke genannt, gegenüber. „Auch mit diesen müssen wir wettbewerbsfähig produzieren können. Demnach gilt es, sie nach aktuellen Industrie-4.0-Gesichtspunkten zu optimieren“, sagt Hagen. „Damals war die Netzwerkinfrastruktur eine komplett andere, als wir sie heute mit Blick auf die Smart Factory kennen. In Neuanlagen ist eine durchgängige Kommunikation gewährleistet; Daten werden in Echtzeit an das ERP-System übergeben“, sagt er.

Mit Blick auf die aktuelle Situation in seinen Bestandsanlagen erklärt er: „Datenaufzeichnungen erfolgen heute noch vielfach von Hand, es gibt eine Vielzahl von Kommunikationsschnittstellen – teilweise sind diese nicht für die aktuellen Anforderungen ausgelegt. In einigen Fällen sind die Daten, mit denen wir zum Beispiel Condition Monitoring betreiben könnten, zwar vorhanden, wir nutzen sie aktuell aber nicht.“

Eine auf mapp Technology basierende Fabrikautomatisierung von B&R.

Die Herausforderung

Nestlé trat an verschiedene Automatisierungsexperten heran, unter anderem an B&R. Karl-Heinz Mayer, Leiter des technischen Büros Mitte, B&R Deutschland, zeigte mehrere Möglichkeiten auf, wie mit intelligenter Automatisierung Optimierungspotenziale in Bestandsanlagen gehoben werden können. Geht es darum, die Fertigungskosten zu reduzieren, ist die Verbesserung der OEE-Kennzahl (Overall Equipment Effectiveness = Gesamtanlageneffektivität) die richtige Wahl. „Durch die Verbesserung der OEE-Kennzahl lassen sich Einsparungen bei den Fertigungskosten um 10 bis 20% erreichen“, sagt Mayer.

Nestlé entschied sich, diesen Weg mitzugehen. „Um die OEE-Kennzahl zu steigern, müssen wir die Zahl der ungeplanten Stillstände signifikant reduzieren“, sagt Hagen. „Wir müssen die Produktionsdaten von allen Fertigungslinien in einzelnen Standorten digital und in Echtzeit zur Verfügung haben sowohl bei den alten, wenig automatisierten Anlagen als auch bei den modernen, voll integrierten möglich sein. Ferner ist eine direkte oder indirekte Anbindung an das ERP-System wichtig. Darüber hinaus muss die Lösung den Nestlé-Sicherheitsstandards entsprechen“.

Deshalb wurde eine Lösung gesucht, die dem Apple-Prinzip ähnelt: anschauen, draufdrücken, funktioniert. Zudem sollte sie über die nächsten 3 bis 5 Jahre als gute Zwischenlösung dienen, bis eine optimale Cloud-Lösung gefunden ist. Weitere Herausforderungen ergeben sich daraus, dass in den einzelnen Werken Steuerungen verschiedener Hersteller und Generationen eingesetzt werden und unterschiedliches Automatisierungs-Know-how vorhanden ist.

Die Anforderungen leiten sich laut Hagen auch daraus ab, dass es in Zukunft immer weniger qualifiziertes Fachpersonal geben wird. Deshalb wurde eine Lösung gesucht, die dem Apple-Prinzip ähnelt: anschauen, draufdrücken, funktioniert. Zudem sollte sie über die nächsten 3 bis 5 Jahre als gute Zwischenlösung dienen, bis eine optimale Cloud-Lösung gefunden ist. Weitere Herausforderungen ergeben sich daraus, dass in den einzelnen Werken Steuerungen verschiedener Hersteller und Generationen eingesetzt werden und unterschiedliches Automatisierungs-Know-how vorhanden ist.

Der Lösungsansatz

Nach den genannten Vorgaben entwickelte B&R eine Lösung, die hardwareseitige auf Scalability+ und softwareseitig auf mapp Technology basiert: die Orange Box. „Durch die auf die Kundenanforderung zugeschnittene, optimale Kombination unseres modularen Hardwareangebots, bestehend aus Steuerung,  Visualisierung und mapp Technology erhält der Kunde mit der Orange Box eine Plattform für Industrie-4.0-Prinzipien“, sagt Mayer. „Dabei kann er zwischen 2 unterschiedlichen Möglichkeiten der Anbindung an Maschinen und Anlagen wählen: Zum einen das Abgreifen von Signalen auf I/O-Modulen an 3rd-Party-Steuerungen und zum andern direkt über ISO on TCP oder TCP/IP.“

Die Orange Box bietet eine freie Wahl der Hardwareplattform.

Mit mapp Technology konnten die B&R-Spezialisten die an sie gestelllten Anforderungen erfüllen. „mapp Technology bringt eine Reihe an Basisfunktionen bereits mit, zum Beispiel die OEE-Berechnung, das Multi-User-Prinzip, PackML, Data Aquisition – all das sind mapp-Komponenten, die bereits vordefiniert sind und nach dem allgemeinen App-Verständnis nur noch geladen werden müssen“, sagt Mayer. Dabei wird ein anderes Konzept verfolgt, als von herkömmlichen Funktionsbausteinen bekannt. „Die mapp-Komponenten arbeiten interaktiv. Das heißt, die einzelnen Komponenten lassen sich miteinander verknüpfen und tauschen untereinander Daten aus“, sagt der Experte. Als Beispiel führt er die Aufnahme von Energiedaten aus einzelnen mapp-Komponenten und die Auswertung im Energiemonitoring-Modul an.

Was ist Scalability+?

Mit Scalability+ bietet B&R ein einheitliches System mit hoher Granularität in der Produktauswahl, mit dem die komplette Automatisierung umgesetzt wird. Zudem kommt nur eine einzige, durchgängige Software zum Einsatz: Automation Studio. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um eine kleine Maschine, eine komplette Anlage oder eine ganze Fabrik geht. Mit einer nahtlosen Kombination aus integrierter Automatisierung, Softwarepaketen und Maschinentechnologie ermöglicht B&R eine nächste Generation der Maschinenautomatisierung.

Die mapp-Komponenten sind in die B&R-Entwicklungsumgebung Automation Studio integriert. Sie lassen sich einfach konfigurieren, ohne dass der Entwickler jedes einzelne Detail programmieren muss. Ein weiteres wichtiges Element innerhalb der mapp-Welt ist mapp View. „Mit mapp View kann jeder Automatisierungstechniker einfach zu bedienende Visualisierungslösungen selbst erstellen. Kenntnisse von HTML5, CSS und Javascript sind nicht erforderlich“, sagt Mayer. Die Visualisierung setzt zu 100% auf Webstandards. Dadurch wird eine optimale Anzeige auf allen Ausgabegeräten erreicht.

Via OPC UA sind auch Steuerungen anderer Hersteller einfach in die Visualisierung einbindbar. „Durch die menügeführte Bedienung und eine Parametrierung statt Programmierung haben wir dem Wunsch von Nestlé entsprochen: Eine Inbetriebnahme ist nun ohne Spezialisten möglich. Ferner ist eine zentrale Softwareverwaltung gegeben. Datenspeicherung, Inbetriebnahme und Updates können über das  Netzwerk oder USB erfolgen“, sagt Mayer. Die Kommunikation kann über unterschiedliche Kanäle, wie LAN oder WLAN, erfolgen. Auch bei den Protokollen wird auf Standards, wie OPC UA und ISO on TCP, gesetzt.

Pilotanwendung der Orange Box im Nestlé-Werk Osthofen

Die Orange Box findet ihre Pilotanwendung im Nestle-Werk in Osthofen. Rund 300 Mitarbeiter stellen dort für Nestlé Health Science (Deutschland) spezielle Trink- und Aufbaunahrung für Menschen mit besonderen Ernährungsbedürfnissen her. „Aufgrund ihrer Hard- und Softwareskalierbarkeit ist die Orange Box kompatibel zu all unseren dort im Einsatz befindlichen Maschinen und Anlagen. In kommunikativer Hinsicht wird auf offenen Standards aufgesetzt und somit Offenheit für die Kopplung sowohl an das B&R-eigene APROL als auch an andere Leitsysteme und MES, wie zum Beispiel Wonderware, erreicht“,  freut sich Hagen. Zudem müssen bei der Installation keinerlei Programmänderungen und Eingriffe in die Maschinen- und Anlagensoftware vorgenommen werden

Die Orange Box bildet die Plattform für Industrie-4.0-Prinzipien.

„Aufgrund der Einfachheit  des Systems ist kein lokales Expertenwissen erforderlich; über die Menüführung ist eine intuitive Bedienung möglich“, stellt der Experte weiter heraus. Die Rohdaten der Maschinen können somit lokal und digitalisiert gesammelt werden. Dabei wird der Security-Aspekt entweder über Stand-alone- oder über die in Standard-IT-Techniken implementierten Sicherheitsprotokolle gewährleistet. „Mit einer relativ kleinen Investition wird mit der Orange Box sofortige Transparenz erreicht und damit eine gezielte, effektive Optimierung möglich. Darüber hinaus ist das System modular und damit jederzeit erweiter- und anpassbar. Alles so, wie wir uns das vorgestellt haben“, sagt Hagen.

Autorin: Inge Hübner, VDE VERLAG GMBH, www.digital-factory-journal.de

Ralf Hagen

E&A Engineering  Manager, Nestlé Deutschland

"Mit der Orange Box wird eine sofortige Transparenz der Produktionsdaten erreicht. Das System ist modular und jederzeit anpassbar. Alles so, wie wir uns das vorgestellt haben."

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